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Gedanken zum Jahr der Mathematik 2008 Eine schöne Idee, der Mathematik ein Jahr zu widmen! Ob es etwas bewirkt? Zweifel sind angebracht. Vielleicht kann man bei der Politik einige Gelder für die mathematische Forschung bekommen. Aber mit Geld ist das wesentliche Problem nicht lösbar. Und dieses Problem ist die Einstellung der überwiegenden Mehrheit in der Gesellschaft zur Mathematik. "Als Mathematik-Lehrer gelte ich im Lehrerkollegium als Exot." Solche und ähnliche Bemerkungen habe ich nicht nur einmal gehört. "Von Mathematik verstehe ich nichts!" Das kann man freimütig äußern, ohne befürchten zu müssen, dass der Gesprächspartner so merkwürdig reagiert wie bei dem Bekenntnis: "Ich bin Mathematiker." Und wenn man erst einmal darauf achtet, ist man verblüfft, wie oft im Fernsehen Prominente geradezu damit kokettieren, dass sie mit der Mathematik schon immer auf Kriegsfuß gestanden haben. Sie tun es möglicherweise in der Hoffnung, beim Publikum damit Pluspunkte zu sammeln: Man gehört der Mehrheit an. "Von Malerei verstehe ich leider wenig." "Leider habe ich nie ein Musikinstrument zu spielen gelernt, deshalb möchte ich, dass meine Kinder ein Instrument spielen." Diese Bekenntnisse kommen immer abgeschwächt daher. Bei "Von Mathematik verstehe ich nichts!" fehlt eigentlich nie das Ausrufungszeichen. Vielleicht wäre es schon ein Erfolg, wenn man im Jahr der Mathematik nur noch hören würde: "Von Mathematik verstehe ich leider nichts." Oder gar mit der Ergänzung: "Bei meinen Kindern werde ich aber darauf achten, dass sie sich dafür zumindest interessieren." Denn das eigentliche Problem sind die Kinder, die natürlich mitbekommen, dass Musik, Literatur, Malerei, (nicht-naturwissenschaftliches) Allgemeinwissen, sportliche Leistungen und vieles andere mehr hohe Achtung genießen, während man über Mathematik – wenn überhaupt – fast immer so spricht, dass dieses Thema möglichst schnell beendet ist. Ich habe keine Sorge, dass es zuwenig junge Menschen gibt, die Mathematik studieren wollen. Es sind vielmehr die vielen anderen Berufe, in denen die Mathematik eine große Rolle spielt, was oft erst in der Berufsausbildung und im Studium bemerkt wird. Besonders gravierend zeigt sich das im Ingenieur-Studium. "Hätte ich das geahnt, dass in fast jedem Fach eine solche Menge an Mathematik steckt, hätte ich wohl etwas anderes gewählt." Das sagen viele in den ersten Semestern von den zu wenigen, die sich überhaupt für dieses Studium entscheiden, das seit vielen Jahren das Studium mit den mit Abstand besten Berufsaussichten ist. Und von den zu wenigen scheitern dann noch zu viele, und fast immer ist die Ursache des Scheiterns die Elementar-Mathematik, die eigentlich von der Schule mitgebracht werden müsste. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch Spaß und Freude an der Mathematik haben kann und sollte und dass Schule und Elternhaus den Kindern das vermitteln können. Die Schönheit und Eleganz, die in der Mathematik steckt, ist sicher schwieriger zu vermitteln. Es ist sicher unmöglich, einen Skeptiker gegenüber der Mathematik von ihrer Eleganz und Schönheit zu überzeugen, wie es andererseits aussichtslos ist, mich von den Kunstwerken eines Josef Beus und den Inszenierungen von Peter Zadek zu überzeugen. Aber bei aller gegenseitigen Skepsis sollte zumindest Toleranz angesagt sein. Auch wenn die Eleganz eines mathematischen Beweises oder die bestechende Logik von Schlussfolgerungen dem Nicht-Mathematiker verschlossen bleiben müssen, so kann er doch die Schönheit und Kühnheit mittelbar erkennen (wenn er will). Als ich vor einiger Zeit aus der Hamburger Innenstadt über die Köhlbrandt-Brücke nach Finkenwerder fuhr, um einen Airbus A380 zu besichtigen, ging mir durch den Kopf, wie viel Mathematik in dieser eleganten Brückenkonstruktion steckt, und welche Unmenge (was für ein "unmathematisches" Wort) von Mathematik mit der Dreistigkeit der Ingenieure verbunden ist, die einen solchen Riesenvogel fliegen lassen. Die mittelbar erkennbare Schönheit der Mathematik kann auch der mathematische Laie empfinden, und nun bin ich wieder bei dem Appell an alle Eltern: Machen Sie Ihre Kinder darauf aufmerksam. Auf den Zusammenhang zwischen Brücke, Flugzeug, Handy, Playstation usw. und der Mathematik, die in diesen Dingen steckt, sollte man immer mal wieder hinweisen. Und noch eine Bitte: Wenn in den allerersten Klassen in der Schule auch die allerersten Schritte mit der Mathematik gemacht werden, zeigen Sie sich zumindest daran so interessiert wie an den Schreib- und Leseübungen. Gerade in den ersten Klassen kann jeder Erwachsene mit den Schülern noch mithalten (auch in der Mathematik), und das Wichtigste ist wohl, dass die Schüler merken, dass man gerade dieses Fach für sehr wichtig hält. Und weil die Zahl 2008 des "Jahres der Mathematik" mich an die folgende (wahre) kleine Geschichte erinnert, habe ich diese noch einmal aufgeschrieben. Auch wenn nicht alle Eltern die ersten Schritte ihrer Sprösslinge in der Mathematik auf diese Weise begleiten können, mit ihnen zum Beispiel das Addieren von Zahlen bis 100 zu üben (und für einen besonderen Erfolg ein Eis als Belohnung auszusetzen), das kann sicher jeder. |
Der kleine Junge auf dem Rücksitz langweilte sich. Nach den ersten beiden Stunden der Fahrt in den Urlaub und noch einigen weiteren Stunden, die folgen würden, war eine Aufmunterung angesagt. In der Schule war gerade das "Rechnen bis 100" (Addition und Subtraktion) behandelt worden, und ich offerierte ihm folgendes Angebot: "Bei jedem Auto mit einer vierstelligen Autonummer, das wir sehen, gibt es eine Rechenaufgabe: Du addierst die Zahl, die die ersten beiden Ziffern bilden, zur Zahl, die die beiden letzten Ziffern bilden, und wenn das Ergebnis genau 100 ist, gibt es an der nächsten Raststätte ein Eis. Wenn Du merkst, dass das Ergebnis größer als 100 wird (das kannst Du ja noch nicht), dann wartest Du auf das nächste Auto." Mit einem solchen Versprechen kann man den Spaß an der Mathematik bei kleinen Jungs durchaus wecken, auch wenn bald klar wurde, dass die Chancen auf ein Eis doch relativ gering waren. Doch nach einiger Zeit kam eine erstaunliche Bemerkung: "Mist! Wenn die beiden letzten Ziffern vertauscht wären, hätte ich jetzt ein Eis." Es waren die Ziffern 7912, die diese Bemerkung ausgelöst hatten. Ich erweiterte nun das Angebot: "Wenn Du irgendwie aus den vier Ziffern zwei zweistellige Zahlen bilden kannst, deren Summe 100 ist, gibt es ein Eis." Jetzt wurde nicht nur gerechnet, es wurde auch hektisch kombiniert. Nach einiger Zeit ließ die Hektik merklich nach, und ich fragte, ob er die Lust verloren hätte. "Nein", war die Antwort, "aber man sieht doch sofort: Wenn nicht zwei Ziffern dabei sind, die zusammen 10 ergeben, wird es sowieso nichts." Auf meine Frage, ob er ganz sicher sei, erwiderte er: "Na, schreib doch mal die beiden Zahlen untereinander und addiere. Um die letzte Null für die 100 zu bekommen, müssen die beiden letzten Ziffern 10 ergeben." Meine Gegenfrage "Und was ist mit zwei Nullen am Ende?", brachte ihn nur kurz zum Nachdenken: "Na gut, zwei Nullen gehen auch, aber entweder Deine zwei Nullen oder meine beiden Ziffern, die zusammen 10 ergeben, sonst geht es nicht." "Toll", sagte ich, "jetzt formulieren wir beide mal einen neuen mathematischen Lehrsatz und nennen ihn den Satz von der Autonummer: Um aus vier Ziffern zwei zweistellige Zahlen bilden zu können, deren Summe 100 ist, müssen zwei Ziffern dabei sein, deren Summe entweder 0 oder 10 ist. "Zum Eis reicht das aber leider noch nicht." "Deshalb nennt man in der Mathematik eine solche Formulierung eine notwendige Bedingung. Sie ist nicht hinreichend, aber das brauchst Du nun wirklich noch nicht zu verstehen." "Doch, das verstehe ich schon. Das heißt, dass es zum Eis nicht reicht", war die etwas resignierend klingende Antwort. "Vielleicht finden wir auch noch eine hinreichende Aussage. Was ist denn mit den beiden anderen Ziffern?" , fragte ich "Welche anderen denn?". "Na, wenn wir zwei gefunden haben, deren Summe 0 oder 10 ist, wie muss denn die Summe der beiden anderen sein, damit es klappt? Denk mal an das schriftliche Addieren mit den beiden untereinander geschriebenen Zahlen." Er verfiel ins Nachdenken, aber ich hatte den Eindruck, dass es ihm sogar Spaß macht, und schon kam auch die Antwort: "Wenn hinten zwei Nullen sind, müssen die vorderen 10 ergeben, und wenn die hinteren 10 ergeben, müssen die vorderen 9 ergeben." "Ganz toll", lobte ich, "damit hast Du die hinreichende und notwendige Bedingung formuliert. Ich formuliere es mal noch etwas anders, damit es raffinierter klingt und damit es außer uns beiden nicht gleich jeder versteht. Wir nennen es den ..." 2. Satz von der Autonummer: Um aus vier Ziffern zwei zweistellige Zahlen bilden zu können, deren Summe 100 beträgt, ist es hinreichend und notwendig, dass die Summe der vier Ziffern 10 oder 19 beträgt und dass zwei Ziffern dabei sind, deren Summe 10 ist. "So wie Du das nun gesagt hast, habe ich es auch kaum noch verstanden", sagte der kleine Junge etwas resigniert, "und auf die Autonummern habe ich auch nicht mehr aufgepasst." "Na, hör mal", antwortete ich, "wir haben gerade zwei neue mathematische Lehrsätze gefunden. Da haben wir uns doch beide ein ganz großes Eis verdient." "Gib Gas, gib Gas", rief der kleine Junge plötzlich, "von dem Auto, das uns gerade überholt hat, muss ich unbedingt noch einmal die Nummer sehen." Ich beschleunigte, und dann konnte ich die Ziffern der Autonummer erkennen. Zwei Nullen waren dabei, ich kann mich an die Ziffernfolge nicht mehr erinnern, aber es könnte durchaus die 2008 gewesen sein. Auf jeden Fall waren die Kriterien des 2. Satzes von der Autonummer erfüllt. "Das große Eis für die Lehrsätze gibt es an der nächsten Raststätte", entschied der kleine Junge großzügig, "das Eis für die Autonummer, die wir gerade gesehen haben, nehme ich dann morgen." Der kleine Junge ist übrigens inzwischen recht groß geworden und als promovierter Berechnungs-Ingenieur beruflich sehr erfolgreich. |
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Karl Hovekamp, ein Spezialist für Palindrome in unterschiedlichen Zahlensystemen (ein Besuch seiner Seiten lohnt sich), schrieb mir eine Mail und machte mich darauf aufmerksam, das im Zahlensystem mit der Basis 5 die Dezimalzahl zu
wird. Die Rückrechnung (siehe auch Seite Zahlensysteme) bestätigt das: 3·54 + 1·53 + 0·52 + 1·51 + 3·50 = 1875 + 125 + 5 + 3 = 2008 . |